Sind wir doch mal ehrlich, haben wir nicht alle davon geträumt, flexibel von zu Hause aus den Job zu erledigen? Nicht mehr stundenlang mit dem eigenen PKW im Stau zu stehen oder im überfüllten ÖPNV von meinem Nebenan erriechen dürfen, was es gestern zum Abendbrot gab? Viele Beispiele lassen sich da anfügen.
Home Office als Zwangsmaßnahme
Es ist doch erschreckend, was die Isolation im Home Office mit einem macht. Und es ist erschreckend, dass ab Mai 2021 der Verkauf von Kosmetik- und Pflegeartikeln deutlich angestiegen ist. Im Umkehrschluss heißt es, dass wir im Lockdown / Home Office davon weniger Gebrauch gemacht haben. Wir lassen uns schlichtweg gehen. Was solls, dank schlechter Internetverbindung sieht das ja keiner wirklich. Hauptsache wir arbeiten vernünftig.
Wirklich? Schlaue Köpfe aus Harvard und New York haben herausgefunden, dass wir im Home Office mehr denn je arbeiten. Unser Digitalverband Bitkom sagt, dass Produktivität und Arbeitszufriedenheit höher sind, aber beklagen auch den direkten Kontaktverlust und den persönlichen Austausch zu den Kollegen. Und irgendwo habe ich gelesen (ich glaube, das war in der Wirtschaftswoche), dass Mitarbeitende jede Woche etwas mehr als 6 Stunden sparen könnten, wenn Abläufe im Unternehmen optimiert werden würden. Das ist Wahnsinn!
Gegen flexibles Arbeiten wird wahrscheinlich keiner grundsätzlich negativ eingestimmt sein. Nur der Zeitpunkt, an dem mit aller Macht und Kraft versucht wird, das Konzept vom Home Office durchzudrücken, kann schlechter nicht sein. Der Co-Working Experte Tobias Kremkau lässt da so einiges gucken.
Gesichts- und Kontrollverlust
Zurecht oder auch nicht, tun sich die meisten Vorgesetzten jedenfalls damit schwer, weil sie nicht mehr wissen, was Meier, Müller, Schulze so treiben. Haben auch alle wirklich mindestens 8 Stunden gearbeitet? Nur weil das eine Studie behauptet, muss das noch lange nicht für jedes Unternehmen und jeden Mitarbeitenden gelten. Es ist eine doofe Situation, mit herkömmlichen Management-Methoden neue Herausforderungen unter Kontrolle bringen zu wollen.
Doch eigentlich ist das recht simpel. Versetzen wir uns gegenseitig in die Lage des anderen und schon nehmen wir eine Sichtweise ein, die ein gemeinsames Ziel hat. Soweit zur Theorie. Was muss also passieren, damit der Mitarbeitende wirklich Aufgaben erledigt und der Vorgesetzte ruhig schlafen kann? Das geht nur über Transparenz und Klarheit über die Ziele, die erreicht werden sollen.
Never change a running System
Naja, diese Binsenweisheit hat etwas sehr Bequemes an sich und ist mittlerweile in vielen Bereichen obsolet, wie z. B. bei Remote Work. Denn hier geht es um ein Führen nach Ergebnis und es ist egal, wann, wo und wie viel die Mitarbeitenden arbeiten. Entscheidend ist nur, wie der Fortschritt auf dem Weg zum Ziel ist. Das fördert ganz nebenbei das aktive Mitdenken und Handeln der Mitarbeitenden. Denn unterm Strich ist es das Ergebnis, was zählt und nicht wie viele Stunden man im Büro war. Um das zu verstehen und zu akzeptieren, muss schon ein kleiner Paradigmenwechsel vollzogen werden.
Die Skills eines Vorgesetzten sollten dabei eine Mischung aus Kreativität, Problemlösungskompetenz, aber auch Kommunikationsstärke und Empathie sein. Jede Aufgabe, die delegiert werden soll, muss als Ergebnis und Ziel eindeutig S.M.A.R-T. definiert werden. Ansonsten verschwendet jeder seine (Lebens-)Zeit.
Und eigentlich muss dem Akronym ein weiteres „T“ hinzugefügt werden. Denn die verteilten Aufgaben müssen auch getrackt werden können. Nein, nicht weil wir kontrollieren, sondern zu jedem Zeitpunkt den jeweiligen Aufgabenstatus abfragen wollen. Und das am besten in einem (technologischen) System ohne große Medienbrüche. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Und die Mitarbeitenden? Sie sollten sich daran gewöhnen, sich wie eine Führungskraft zu fühlen – meine Aufgabe, meine Art das Problem zu bearbeiten, meine Lösung. Sicherlich alles im Kontext eines großen Unternehmenszieles. Keiner grätscht da rein. Was ich aber machen kann, ist meiner Führungskraft um ein Coaching zu bitten, damit ich meine neuen Freiheiten richtig einsetzen kann.
Fazit
Wie dreht man nun den Spieß um und managt den „Laden“ nach Ergebnissen? Als erstes keine Anweisungen mehr geben, sondern mit Coaching unterstützen.
Und wer als Unternehmen noch eine Schippe raufpacken möchte, der fängt am Firmenparkplatz an (Parkplatz reserviert für XYZ), lässt Ort und Umfang der Arbeit, Gehälter sowie freie Tage selbst bestimmen und kümmert sich auch um die Gesundheit der Belegschaft. Jeder Einzelne entscheidet selbst über sich und nicht nur die Vorgesetzten. Das erfordert eine radikale Transparenz über alle firmeninternen ZDF (Zahlen, Daten, Fakten).
Denn dynamische Zeiten erfordern ein dynamisches System mit Flexibilität, Lernen, messbaren Ergebnissen und kollaborativer Zusammenarbeit. Viel Spaß dabei. Es lohnt sich.
Quelle Foto: Pixabay