Empowerment und Mitbestimmung: Wenn wir diese Begriffe hören, tragen sie die Kritik an der bestehenden Ungleichheit aus der heraus sie notwendig, ja möglich werden, bereits in sich. Und die Idee, den Status quo verändern zu können, zu wollen. Wenn Sie bis hier wenigstens einmal nicken konnten, lesen Sie weiter. Ansonsten auch, aber sagen Sie dann nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.
Wenn wir etwas ändern wollen, ist es für gewöhnlich hilfreich, es zunächst zu verstehen. Zumindest, wenn die Veränderung auch ein wenig haltbar sein soll. Wenn ich verhindern will, dass mein Brot allzu schnell anfängt zu schimmeln, hilft es, wenn ich verstehe, wie Schimmel entsteht und unter welchen Bedingungen er sich wohl fühlt. Mit dem Patriarchat ist es ähnlich.
Das Patriarchat ist ein mächtiges System, alt, etabliert, gewohnt. Es ist viel weniger abstrakt als der Name uns glauben lässt, es ist Teil von uns und wir von ihm. Für manche ist das ok, für andere fühlt sich das an wie die Szene aus Alien. Es zieht seine enorme Macht aus dem Unterscheiden. Nicht dem Unterscheiden in Verschiedenes, sondern in dem Unterscheiden in Besseres und Schlechteres. Da stehen wir nun, privilegiert bis zum Abwinken, weil wir in unserem Leben von diesem System ein paarmal ungefragt – aber auch unwidersprochen – in die Kategorie „besser“ eingeordnet wurden. Manche wissen schon davon, manche profitieren nur.
Und dann wird am Status quo gerüttelt. Auf einmal beginnen Menschen, die bisher als weniger, schwächer, unbedeutender, unfähiger galten, etwas zu wollen. Sie hören auf, nett zu fragen, sondern fordern mit der Wut, die es braucht, um gehört zu werden. Sie wollen mehr, so viel mehr. In etwa das, was die Anderen haben. Und wer könnte dem widersprechen?
Also werden Förderungen eingerichtet, Beauftragte ernannt, Artikel geschrieben. Mit dem Ziel, Individuen in einem sie benachteiligenden System zu empowern, sie in einem kapitalistischen Leistungsethos davon zu überzeugen, dass es alle schaffen können, die es nur genug wollen. Du wirst empowert, nicht das System ist das Problem, sondern deine Schwäche. Warte, wir helfen dir zu werden wie wir, streng dich nur genug an und du kannst gewinnen, wir haben es ja auch geschafft. Sind wir schon losgelaufen, während du noch versucht hast, überhaupt ins Stadion zu kommen? Kann sein, aber dann musst du eben aufholen. Das ist nicht unsere Schuld, wir haben nichts getan! Wir haben nichts getan.
Die Unterteilung in besser und schlechter wird nicht hinterfragt, sie ist definiert. Sie ist systemimmanent und wird durch lange Tradition wie ein Naturgesetz empfunden. Nicht das System bewegt sich hin von besser und schlechter zu verschieden, es strebt nach Beständigkeit und Konsens und begegnet der entstehenden Unruhe mit der einzigen Sprache, die es spricht: Die Schlechteren dann eben besser zu machen. Wenn sie es denn schaffen. Bis wieder Ruhe ist.
Soll das nun heißen, dass all die Förderungen, Beauftragten und Artikel es doch auch sein lassen können? Nein. Aber wir müssen verstehen, worin das Problem besteht, bevor wir daran arbeiten, es zu lösen. Unter welchen Bedingungen es zu schnell schimmelt. Und dass es nicht die Lösung sein kann, dass sich das Brot dann mit der entsprechenden Hilfe eben mehr anstrengen und einbringen soll. Sondern dass es auf das Umfeld ankommt. Es ist unsere Aufgabe, unsere Privilegien zu erkennen, das System zu verstehen, dass uns Menschen so sehr voneinander trennt. Wenn wir Empowerment und Mitbestimmung wollen, wollen wir gute Dinge. Wir müssen uns aber fragen, ob wir sie aus den richtigen Gründen wollen, was für uns überhaupt richtig und falsch ist. Wir können einmal in Gedanken durchspielen, wie es wäre, an unserer eigenen Entmachtung zu arbeiten – nicht, weil wir so selbstlos sind, sondern weil wir von vorneherein viel mehr hatten, als uns jemals zustand.
Sie sind noch da? Cool. Ich auch. Und während ich mir jetzt ein Brot mache (Der Kühlschrank! Der Trick ist, das Brot in den Kühlschrank zu legen!) denke ich darüber nach, wie ich meine Privilegien nutzen kann, welche ich immer noch übersehe und welche Privilegien mein Leben in diesem System durch ihre Abwesenheit prägen. Für mich selbst und andere, im Bemühen um eine andere – oder doch bessere? – Zukunft.